Kabel oder Funk:
Was eignet sich besser fürs vernetzte Gebäude?
Von Graham Martin, Chairman & CEO EnOcean Alliance
Intelligente Arbeitsumgebungen mit bedarfsgerechter Regelung von Temperatur, Luftqualität und Beleuchtung können sich positiv auf Komfort und Wohlbefinden der Beschäftigten auswirken und so deren Motivation und Produktivität steigern. Was große Unternehmen in ihren Smart Spaces realisieren, lässt sich zunehmend leichter auch im Kleinen umsetzen. Der Hebel hierbei ist die Verwendung von Smart Building-Funktionalitäten. Doch macht die Hardware alleine noch keine Fläche intelligent. Auf die Art der Vernetzung kommt es an: Kabel oder Funk. Eine neue Studie der TH Rosenheim vergleicht die gängigen Funkstandards KNX und EnOcean in verschiedenen Szenarien. Ihre Ergebnisse lassen sich auch auf intelligente Gewerbeflächen anwenden.
Wer sich wohl fühlt, arbeitet lieber und erwartungsgemäß auch besser. Diesen Zusammenhang haben vornehmlich größere Unternehmen längst verstanden. Sie setzen auf intelligente Büroflächen – sogenannte Smart Spaces – und sensorbasiertes Infrastrukturmanagement. Dieses sammelt sensorgenerierte Gebäudezustandsdaten und nutzt sie für Anpassungen oder Analysen. Damit lassen sich wichtige Einflussfaktoren auf Mitarbeiterproduktivität und Bürohygiene – Temperatur, Luftqualität, Lichtverhältnisse und Sauberkeit – entsprechend der Personenzahl im Gebäude monitoren und steuern. So bilden Smart Spaces eine Schnittstelle zwischen den Menschen und ihrer Arbeitsumgebung. Sie ergänzen den physischen Arbeitsraum durch eine virtuelle Komponente – mit positiven Auswirkungen auf Wohlbefinden und Produktivität der Beschäftigten.
Was im Großen zunehmend umgesetzt wird, lässt sich auch im Kleinen realisieren. Für erste Schritte hin zum intelligenten Gebäude können KMUs leicht zu installierende bzw. nachzurüstende Smart Building-Funktionalitäten nutzen und damit Gewerbeflächen, Kanzleien oder Praxen aufwerten.
Verschiedene Standards
Digitale Vernetzung ist die Voraussetzung fürs intelligente Gebäude, denn sie erst ermöglicht die reibungslose Kommunikation der einzelnen Komponenten. Dies kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen, per Kabel oder Funk. Für beide Varianten gibt es neben proprietären Lösungen einzelner Hersteller auch offene Standards. Jeweils repräsentativ in ihrem Segment sind KNX (kabelgebunden) und EnOcean (funkbasiert).
KNX (Konnex) ist ein weitverwendetes Bussystem zur Gebäudeautomation. Als Weiterentwicklung des EIB (Europäischer Installationsbus) ist KNX ein offener, herstellerübergreifender Standard, den eine Vielzahl an Herstellern unterstützen. Als genormter Standard lässt KNX großen Gestaltungsspielraum und gilt als besonders sicher.
EnOcean wurde im März 2012 durch die International Electrotechnical Commission (IEC) als weltweiter Funkstandard (ISO/IEC 14543-3-1X) zur dezentralen Gebäudeautomation festgelegt. Mittlerweile verfügen mehr als eine Million Gebäude über entsprechende Funknetzwerke. Das EnOcean-Ökosystem batterieloser Funksensorlösungen besteht aus derzeit 5000 Produktvarianten auf Grundlage von 1500 Basisprodukten. Mittels standardisierter Sensorprofile lassen sich die Produkte untereinander kombinieren.
Kabel oder Funk im intelligenten Gebäude?
Dieser Frage geht die Studie[1] von Julia Winkler (B.Eng.) und Prof. Dr. Michael Krödel nach. Sie vergleicht intelligente Flächen verschiedener Größe auf Basis von KNX- bzw. EnOcean-Technologie in zwei Ausstattungsvarianten bezüglich Kosten, Nachhaltigkeit sowie Gesundheit & Wohlbefinden. Als Orientierungswert dient in beiden Fällen ein konventionelles Gebäude ohne intelligente Vernetzung.
Im Einzelnen handelt es sich um:
- Eine Einraumfläche mit 42,3 m2 und insgesamt 33 bzw. 42 Komponenten (Mindest- bzw. Vollausstattung)
- Eine mittlere Fläche mit 83,5 m2 und insgesamt 70 bzw. 89 Komponenten
- Eine große Fläche mit 215,2 m2 und insgesamt 162 bzw. 186 Komponenten
Die Ausstattung beim konventionellen Gebäude orientiert sich an der DIN-Norm 18015-RAL-RG678 zur Errichtung elektrischer Anlagen in Wohngebäuden (Drei Sterne-Komfortausstattung). Die Differenzierung der Smart Building-Varianten erfolgt auf Basis hochschulinterner Forschungsergebnisse. Die Mindestausstattung umfasst hierbei typische Einstiegsfunktionalitäten für Komfort, Sicherheit und Energieeinsparung. In der Vollausstattung kommen neben den Basics weitere Beleuchtungs-, Heizungs- und Sicherheitsfunktionalitäten hinzu. Die Kostenberechnung für die einzelnen Ausstattungsoptionen erfolgt auf Basis der Kalkulationshilfe für elektro- und informationstechnische Handwerke (KFE, Stand 2020) sowie der aktuellen Produktkataloge repräsentative Anbieter wie Hager (für KNX) und Eltako (für EnOcean).
Smart kostet – Funk ist im Vergleich günstiger
Beim Vergleich der konventionellen mit der smarten Ausstattung zeigt sich ein wenig überraschendes Bild: Smart kostet zunächst mehr. So beläuft sich laut Studie der Aufpreis für die Elektroinstallation zwischen 64% in der Einraumfläche mit Mindestausstattung auf EnOcean-Basis und 385% in der mittleren Fläche auf KNX-Basis[2].
Beim Vergleich der Varianten „Kabel“ (KNX) oder „Funk“ (EnOcean) liegt letztere in Sachen Kosten vorn. Der Unterschied bei vergleichbarer Funktionalität beläuft sich auf 20 bis 30 Prozent. Dies gilt für alle Ausstattungsvarianten. Gründe hierfür sind neben dem Aufwand für die Verkabelung auch die Kosten für die Komponenten und deren Installation. Im Gegensatz dazu benötigen wartungsfreie Funksensoren weder Netzstrom noch Batterien. Dank der Energy-Harvesting-Technologie beziehen sie ihre Energie aus der Umwelt (kinetische Energie, Druck, Licht und Temperaturunterschiede). Funksensoren lassen sich überall dort anbringen, wo sie benötigt werden. Das spart Zeit und Geld bei Installation und Betrieb und ermöglicht zugleich die schnelle und einfache Nachrüstung in Bestandsgebäuden.
Und wie sieht es mit dem Elektrosmog im funkbasierten Smart Building aus? Die Strahlenbelastung liegt 700-fach unter dem von W-LAN- bzw. Bluetooth-Verbindungen und 1,6 Millionen-fach unter dem herkömmlicher Smartphones. Maßgeblich hierfür ist der sog. SAR-Wert. SAR steht für Spezifische Absorptionsrate und gibt an, wie viel Sendeleistung der menschliche Körper maximal aufnehmen kann.
Fazit
Die intelligent vernetzte Fläche kostet initial mehr. Doch diese Investitionen lohnen sich mittel- und langfristig auch für KMUs im Hinblick auf den Gewinn an Komfort und Wohlbefinden sowie niedrigere Energiekosten. Funkbasierte Smart Offices liegen bei den Installationskosten bis zu einem Drittel unter der verkabelten Variante. Sie punkten zudem in Sachen Flexibilität und Umweltschutz.
[1] Winkler, J. (2021). Vergleich zwischen KNX und EnOcean am Beispiel exemplarischer Raumautomations-Installationen in Bezug auf Kosten und ökologische Aspekte sowie unter Berücksichtigung eines benutzerorientierten Anforderungsprofils. (Bachelorarbeit). Technische Hochschule Rosenheim, Deutschland.
[2] Insgesamt ist zu beachten, dass bei KNX in allen Varianten neben Material und Installation noch Kosten für ETS (Engineering Tool Software) und Lizenzgebühren anfallen.