Kabel oder Funk: Was eignet sich besser fürs vernetzte Zuhause?
Von Julia Winkler B.Eng. und Prof. Dr. Michael Krödel
Smart Home ist „in“. Die eigenen vier Wände zu vernetzen, wird mit steigendem Ange-bot entsprechender Endgeräte und professioneller Systemlösungen immer einfacher und benutzerfreundlicher. Dabei macht die Hardware alleine noch kein Zuhause intelli-gent. Auf die Art der Vernetzung kommt es an: Kabel oder Funk. Eine neue Studie der TH Rosenheim vergleicht die gängigen Smart Home-Standards KNX und EnOcean in verschiedenen Wohnszenarien.
90 Prozent unseres Lebens verbringen wir in Gebäuden (1), einen guten Anteil davon in den eigenen vier Wänden. Ganz gleich, ob in einer Wohnung oder im Eigenheim: Smart Homes erhöhen Komfort und Sicherheit ihrer Bewohner. Sie sorgen für effizientere Energienutzung, sparen Kosten und sind damit auch in Sachen Klimaeffizienz ein absolutes „Muss“. Kein Wunder also, dass der Trend zum intelligenten Zuhause anhält, wie ein Blick auf den Smart-Home-Markt in Deutschland zeigt. Laut Statista betrug der Umsatz letztes Jahr 4.272 Millio-nen Euro. Bis 2024 wird dieser auf 6.686 Millionen Euro steigen. Dies entspricht einem jährli-chen Umsatzwachstum von 11,8 Prozent (2).
Was ist ein Smart Home?
Smart Home bedeutet professionelle Gebäudeautomation für zuhause. Technische Geräte verschiedener Art werden in einem Netzwerk zusammengeschlossen, sie interagieren und sind von außen steuerbar. Hierzu werden die Informationen des Netzwerks mittels einer zentralen Kontrolleinheit kommuniziert. Alternative Begriffe sind Smart Living, Connected Home, Hausautomation oder eHome. Bei Automationslösungen speziell für Senioren spricht man auch von modernem Ambient Assisted Living (AAL).
Wie funktioniert ein Smart Home?
Ein professionelles Smart Home ist ein intelligentes System, das einzelne Komponenten (Sensoren und Aktoren) vernetzt. Dies bildet die technische Grundlage für eine automati-sierte Steuerung und flexible Bedienmöglichkeiten der Haustechnik in verschiedenen Berei-chen. Die wichtigsten sind neben Beleuchtung, Beschattung sowie Heizung/Klima/Lüftung auch Sicherheit, Unterhaltungselektronik und Informationstechnik/Telekommunikation. Mitun-ter sind Ladestationen für Elektroautos ebenfalls ins Smart Home-System miteingebunden. Einzelne intelligente Produkte wie Sprachassistenten oder Smart Meter machen hingegen noch kein intelligentes Zuhause aus.
1 Quelle: https://www.buildinggreen.com/blog/we-spend-90-our-time-indoors-says-who, https://ec.europa.eu/commis-sion/presscorner/detail/en/IP_03_1278
2 Quelle: https://de.statista.com/outlook/dmo/smart-home/deutschland
Qual der Wahl: Kabel oder Funk?
Die digitale Vernetzung ist die Voraussetzung fürs Smart Home. Sie erst ermöglicht die rei-bungslose Kommunikation der einzelnen Komponenten in Wohnungen oder Wohngebäuden. Dies kann auf zwei komplett unterschiedlichen Wegen erfolgen, nämlich per Kabel oder Funk. Für beide Varianten gibt es neben proprietären Lösungen einzelner Hersteller auch of-fene Standards. Jeweils repräsentativ in ihrem Segment sind KNX (kabelgebunden) und EnOcean (funkbasiert).
KNX (Konnex) ist ein weitverwendetes Bussystem zur Gebäudeautomation. Als Weiterent-wicklung des EIB (Europäischer Installationsbus) ist KNX ein offener, herstellerübergreifen-der Standard, der von einer Vielzahl an Herstellern unterstützt wird. Als genormter Standard lässt KNX großen Gestaltungsspielraum und gilt als besonders sicher.
EnOcean wurde im März 2012 durch die International Electrotechnical Commission (IEC) als weltweiter Funkstandard (ISO/IEC 14543-3-1X) zur dezentralen Gebäudeautomation festge-legt. Mittlerweile verfügen mehr als eine Million Gebäude über entsprechende Funknetzwerke. Das EnOcean-Ökosystem batterieloser Funksensorlösungen besteht aus derzeit 5000 Pro-duktvarianten auf Grundlage von 1500 Basisprodukten. Mittels standardisierter Sensorprofile lassen sich die Produkte untereinander kombinieren.
Kabel oder Funk: Wer hat die Nase vorn im Smart Home?
Dieser Frage geht die Studie (3) von Julia Winkler und Prof. Dr. Michael Krödel nach. Sie ver-gleicht Smart Homes verschiedener Größe auf Basis von KNX- bzw. EnOcean-Technologie in zwei Ausstattungsvarianten bezüglich Kosten, Nachhaltigkeit sowie Gesundheit & Wohlbe-finden. Als Orientierungswert dient in beiden Fällen ein konventionelles Gebäude ohne intelli-gente Vernetzung.
Im Einzelnen handelt es sich um:
• Eine Einzimmerwohnung mit 42,3 m2 und insgesamt 33 bzw. 42 Komponenten (Mindest- bzw. Vollausstattung)
• Eine Dreizimmerwohnung mit 83,5 m2 und insgesamt 70 bzw. 89 Komponenten
• Ein Einfamilienhaus mit 215,2 m2 und insgesamt 162 bzw. 186 Komponenten
Die Ausstattung beim konventionellen Gebäude orientiert sich an der DIN-Norm 18015-RAL-RG678 zur Errichtung elektrischer Anlagen in Wohngebäuden (Drei Sterne-Komfortausstat-tung). Die Differenzierung der Smart Home-Varianten erfolgt auf Basis hochschulinterner Forschungsergebnisse. Die Mindestausstattung umfasst hierbei typische Einstiegsfunktiona-litäten für Komfort, Sicherheit und Energieeinsparung. In der Vollausstattung kommen neben den Basics weitere Funktionalitäten wie Helligkeits- und Präsenzmelder, Zentraltaster zur Heizungsregelung sowie Wetterstation und das komplette Sicherheitspaket hinzu.
3 Winkler, J. (2021). Vergleich zwischen KNX und EnOcean am Beispiel exemplarischer Raumautomations-Installationen in Bezug auf Kosten und ökologische Aspekte sowie unter Berücksichtigung eines benutzerorientierten Anforderungsprofils. (Bachelorarbeit). Technische Hochschule Rosenheim, Deutschland.
Die Kostenberechnung für die einzelnen Ausstattungsoptionen erfolgt auf Basis der Kalkula-tionshilfe für elektro- und informationstechnische Handwerke (KFE, Stand 2020) sowie der aktuellen Produktkatalogen repräsentative Anbieter wie Hager (für KNX) und Eltako (für EnOcean).
Investieren in smartes Wohnen
Beim Vergleich der konventionellen mit der smarten Ausstattung zeigt sich ein wenig überra-schendes Bild: Smart kostet zunächst mehr. So liegt laut Studie der Aufpreis für die Elektro-installation zwischen 64% in der Einzimmerwohnung mit Mindestausstattung auf EnOcean-Basis und 385% in der vollausgestatteten Dreizimmerwohnung auf KNX-Basis(4).
Bildunterschrift: Beispiel Vollausstattung. Das verkabelte Smart Home bedarf der insgesamt höchsten Anfangsin-vestition, 30% mehr als mit Funk.
4 Insgesamt ist zu beachten, dass bei KNX in allen Varianten neben Material und Installation noch Kosten für ETS (Engineering Tool Software) und Lizenzgebühren anfallen.
Bildunterschrift: Beispiel Mindestausstattung, Einzimmerwohnung: Die smarten Varianten sind initial teurer als die konventionelle Ausstattung. Das verkabelte Smart Home bedarf der insgesamt höchsten Anfangsinvestition.
Bleibt festzuhalten: Die smarten Zusatzfunktionalitäten machen Wohnraum initial teurer. Mit-tel- und langfristig jedoch lohnt sich die Investition. Denn immateriell schlägt vom ersten Tag an ein höherer Wohnwert in Sachen Komfort und Sicherheit zu Buche. Und ganz konkret las-sen sich etwa durch intelligentes Heizen bis zu 10 Prozent der Energiekosten sparen. Ein gewichtiges Potenzial, wenn man bedenkt, dass das Heizen ungefähr 60 Prozent des Ener-gieverbrauchs privater Haushalte ausmacht und v.a. im Winter meist durchgehend geheizt wird.
Kabel oder Funk im Smart Home?
Beim Vergleich der Smart Home-Varianten „Kabel“ (KNX) oder „Funk“ (EnOcean) liegt letz-tere in Sachen Kosten vorn. So beläuft sich der Unterschied bei vergleichbarer Funktionalität auf 20 bis 30 Prozent. Dies gilt für alle Ausstattungsvarianten. Grund hierfür sind neben dem Aufwand für die Verkabelung und die Kosten für die Komponenten und deren Installation.
Taster und Sensoren auf EnOcean-Basis brauchen keine Kabel. Sie lassen sich ganz nach Bedarf anbringen und umsetzen – ein großes Plus in Sachen Flexibilität zum Beispiel bei Nachrüstung oder Umbau. Der Einsatz weniger Kabel spart daneben auch PVC – laut Studie bis zu 8,5 kg pro Smart Home – und verbessert die Umweltbilanz der Bauvorhaben insge-samt.
Wie sieht es mit dem Elektrosmog im funkbasierten Smart Home aus? Die Strahlenbelastung liegt 700-fach unter dem von W-LAN- bzw. Bluetooth-Verbindungen und 1,6 Millionen-fach unter dem herkömmlicher Smartphones. Maßgeblich hierfür ist der sog. SAR-Wert. SAR steht für Spezifische Absorptionsrate und gibt an, wie viel Sendeleistung der menschliche Körper maximal aufnehmen kann.
Fazit
Das intelligent vernetzte Zuhause kostet initial mehr. Doch diese Investitionen lohnen sich im Hinblick auf den immateriellen Gewinn an Komfort und Sicherheit sowie niedrigere Energie-kosten. Das funkbasierte Smart Home liegt bei den Installationskosten bis zu einem Drittel unter der verkabelten Variante. Es punktet zudem in Sachen Flexibilität und Umweltschutz.